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Aspekte frühneuzeitlicher Männermode

Die Kleider und Accessoires von Johannes Ludwig Peyer im Porträt von 1727

Ein Beitrag von Janine Jakob
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Abb. 1: Porträt von Johannes Ludwig Peyer, 1718, von Dietegen Seiler (Maler) / Johann Georg Seiler (Stecher), Papier, Radierung, 37 x 27 cm

 

Der Schaffhauser Johannes Ludwig Peyer (10.7.1645–1741) ist der zweitälteste Sohn von Johannes Friedrich Peyer (1615–1688) und Elisabeth Im Thurn (1625–1697) und ist auf dem Familienbildnis von 1653 abgebildet, das vom renommierten Künstler Conrad Meyer (1618–1689) gemalt wurde. Im Jahr 1666 heiratete er Ursula Seil(l)er «von der Laterne» (2.1.1650–14.5.1719) und hatte mit ihr 15 Kinder, von denen fünf früh verstarben. Alle anderen gründeten eine eigene Familie. Im Jahr 1718 entstand ein Porträt von Johannes Ludwig Peyer als 73jähriger als Radierung (Abb. 1). Der Schaffhauser Dietegen Seiler (1693–1774) als Zeichner und sein Vater Johann Georg Seiler (28.7.1663–12.1.1740) als Stecher fertigten sie an. Die Widmung auf der Radierung verdeutlicht, wie stark der Familienzusammenhalt gewesen sein muss. Gemäss Inschrift war die Radierung ein Geschenk seiner Kinder und deren Ehegatten als Neujahrsgabe und Zeichen hoher Wertschätzung. Gemäss der Radierung wurde er wie folgt beschrieben: «Der hochgeachte WohlEdelgebohrne strenge fromme, fürsichtige und weise Junker Johann Ludwig Peyer wohlmeritierter Obherr und des Raths, Ober-Jäger- und Schützenmeister seines Alters 73 Jahr Ao 1718».

Bildnis Hans Ludwig Peyer-Seiler (1645 – 1741)
Abb. 2: Porträt von Johannes Ludwig Peyer – «Monsieur Jean Louis Peyer, Conseiller d‘Etat dans le Canton de Schafhause, Ætatis 82 Anno 1727», 1727, von Dietegen Seiler, Öl auf Leinwand, 112 x 86 cm

 

Neun Jahre später 1727 entstanden drei Ölporträts nach dem Vorbild der Radierung, wovon eines der Peyerschen Tobias Stimmer Stiftung gehört (Abb. 2). Sie wurden alle ebenso von Dietegen Seiler geschaffen. In allen vier Porträts, ist er identisch gekleidet. Er zeigt sich in Schwarz als Mann in wichtigem Amt. Im hier betrachteten Ölgemälde wie auch in den beiden anderen Ölgemälden (vgl. W.R.C. Abegglen 2022, Schaffhauser Porträts 1450–1870, S. 178) scheint er die letzten neun Jahre nicht gealtert zu sein. Die hochwertige Darstellung der Gesichtszüge und der Hände in der Version von 1718 hat sich im Vergleich zu jenen von 1727 kaum verändert. Unterschiedlich ist einzig die Haarlänge, die 1727 etwas kürzer ist. Es ist davon auszugehen, dass er 1718 und 1727 sowohl diese Kleidung als auch diesen Schmuck trug. Der 82-jährige trug sein schwarzes Gewand 1727 zur Repräsentation seines Amtes als Staatsrat, welches im dargestellten Schriftstück «Jean Louis Pejer Conseiller d’Etat dans le Canton de Schafhause» (Abb. 2) festgehalten ist.

Wohl aus ästhetischen Gründen und ganz pragmatisch, weil der Porträtierte so nicht mehr stundenlang Modell sitzen musste, hielt sich Dietegen Seiler 1727 an die frühere Vorlage von 1718. Neu ist neben den Schriftstücken in Französisch, der Sprache der Elite, die Taschenuhr.

Traditionelle Amtstracht

Was trägt Johannes Ludwig Peyer, Mitglied der Schaffhauser Elite, als 73- und 82-jähriger konkret, um seinen hohen sozialen Status und seine wichtigen Ämter zu repräsentierend? Er trägt einen schwarzen Talar, den auch Richter, Pfarrer und Bürgermeister trugen, sowie einen schwarzen Umhang und eine schwarze, enganliegende Kappe. Der Kragen aus gestärktem Leinen, die Ärmelrüschen und das Paar halblanger Handschuhe, wohl aus feinstem Leder, sind strahlend weiss und geben den Kontrast zum Schwarz. Sowohl ein tiefes Schwarz wie jenes von Peyers Bekleidung, als auch weisse Wäsche waren kostspielig und Teil der Mode der Oberschicht.

Weisse Handschuhe waren im damaligen Verständnis Symbol von Reinheit und gehörten zur Etikette der sozialen Oberschicht, sowohl beim Herrn als auch bei der Dame. Sie wurden wie in diesem Porträt als Paar getragen und symbolisierten beim Mann die durch sein Amt oder seine Ämter verliehene Autorität. Angezogen schützt der Handschuh vor «Unreinem», was den Blick auf die anmutigen Hände lenkt: Diese Hände waren nicht nur aufgrund des Tragens von Handschuhen gepflegt, sondern weil sie entsprechend des Lebensstils eines Mannes hohen Standes keine schweren Arbeiten leisten mussten wie beispielsweise die der Bauern auf dem Land.

Ehrenkette und Fingerringe

Die goldene, dreireihige Ehrenkette wird von Johannes Ludwig Peyer schräg über die linke Schulter getragen. Die einzelnen Kettenglieder sind modisch abwechselnd längs und quer gerillt. Mit der rechten Hand verdeckt er die Stelle, an welcher in der Regel ein Medaillon angebracht war.

Detail Ludwig Seiler: linke Hand
Detail Ludwig Seiler: linke Hand
Abb. 3: Bildausschnitt: Ärmelrüsche, Fingerring und dreireihige Ehrenkette

 

Johannes Peyer trägt zwei Fingerringe: Am kleinen Finger der linken Hand trägt er einen in Gold gefassten dunkelblauen, achteckig geschliffenen Edelstein. Vermutlich handelt es sich dabei um einen Saphir. Am kleinen Finger der rechten Hand trägt er einen Goldring mit sieben Edelsteinen. Der hellblaue ovale Edelstein in der Mitte des Rings ist von je drei kleineren, runden Edelsteinen flankiert. Diese Art Fingerring war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders beliebt.

Detail Ludwig Seiler: rechte Hand
Abb. 4: Bildausschnitt: Ein Paar weisse Handschuhe, ein Fingerring und ein Degen

 

Der Degen von Johannes Ludwig Peyer ist auf seiner linken Körperseite an einem durch die Kleidung verdeckten Waffengurt angebracht. Ein solcher ornamentierter Zierdegen diente zur Repräsentation und war nicht für den tatsächlichen Kampf gedacht. Von seinem Rapier aus Eisen ist ein Teil vom Gefäss sichtbar, welches mit einem Rankenmotiv verziert ist. Der glänzende Griffteil mit kugeligem Knauf und dem Griffbügel glänzen silbern. Ein von der Form her ähnliches Gefäss weist der deutsche Zierdegen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts der Waffensammlung Carl Beck Sursee auf (siehe online https://www.waffensammlung-beck.ch/waffe102.html; nun Teil der Sammlung des Museums Sankturbanhof Sursee).

Detail Ludwig Seiler: Uhr
Abb. 5: Silberne Taschenuhr mit römischem und arabischem Zahlenring

 

Im Alltag meist am Obergewand angehängt getragen, liegt Peyers Taschenuhr im Porträt geöffnet links auf dem Tisch. Die Uhrenkette mit dem Aufzieh-Schlüssel hängt vorne über die Tischkante herunter. Die Uhr ist vom Typ «Oignon», was in Französisch Zwiebel bedeutet und auf deren kugelige Form hinweist. Das weisse emaillierte Zifferblatt hat einen inneren römischen und einen äusseren arabischen Zahlenkreis. Es ist viertel vor zwölf.

Damit das Zifferblatt und die aufwändige Machart der Taschenuhr besser erkennbar sind, legte Peyer Wert darauf das schützende Uhrglas und den silbernen Schutzring nach aussen geklappt zu präsentieren. Auch die Taschenuhr ist Symbol seines Wohlstands. Im Kontext des im Porträt zitierten Psalms 71 Vers 18 der Lutherbibel weist dieses Accessoire auch auf die Vergänglichkeit des Lebens hin. Gemäss dem Psalm bittet Peyer Gott um Beistand in seinem nun «hohen» Alter und dass er noch genug Zeit erhalten möge, um seinen Nachfahren von Gottes Macht und wie sie eingreift, erzählen zu können.

 

Dieser Beitrag entstand ergänzend zum Vortrag «Prachtvolle Mode der Frühen Neuzeit. Die Sammlung der Peyerschen Tobias Stimmer Stiftung im Kontext aktueller Forschung», den die Autorin an der Veranstaltung «Überraschende Perspektiven auf die Kunst» hielt. Der Jubiläums-Anlass vom 14. April 2024 wurde durch den Kunstverein Schaffhausen im Rahmen seiner Ausstellung «175 Jahre Kunstverein Schaffhausen – Kunst vereint» im Museum Allerheiligen Schaffhausen durchgeführt.