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The Conservation of the Madonna of the Grapes by Lukas Cranach the Elder (1472-1553)

Renewed Beauty

A report from Andreas Rüfenacht und Barbara Bührer

Ein Beitrag von Janine Jakob
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The Madonna of the Grapes before and after conservation

 

Der Schaffhauser Johannes Ludwig Peyer (10.7.1645–1741) ist der zweitälteste Sohn von Johannes Friedrich Peyer (1615–1688) und Elisabeth Im Thurn (1625–1697) und ist auf dem Familienbildnis von 1653 abgebildet, das vom renommierten Künstler Conrad Meyer (1618–1689) gemalt wurde. Im Jahr 1666 heiratete er Ursula Seil(l)er «von der Laterne» (2.1.1650–14.5.1719) und hatte mit ihr 15 Kinder, von denen fünf früh verstarben. Alle anderen gründeten eine eigene Familie. Im Jahr 1718 entstand ein Porträt von Johannes Ludwig Peyer als 73jähriger als Radierung (Abb. 1). Der Schaffhauser Dietegen Seiler (1693–1774) als Zeichner und sein Vater Johann Georg Seiler (28.7.1663–12.1.1740) als Stecher fertigten sie an. Die Widmung auf der Radierung verdeutlicht, wie stark der Familienzusammenhalt gewesen sein muss. Gemäss Inschrift war die Radierung ein Geschenk seiner Kinder und deren Ehegatten als Neujahrsgabe und Zeichen hoher Wertschätzung. Gemäss der Radierung wurde er wie folgt beschrieben: «Der hochgeachte WohlEdelgebohrne strenge fromme, fürsichtige und weise Junker Johann Ludwig Peyer wohlmeritierter Obherr und des Raths, Ober-Jäger- und Schützenmeister seines Alters 73 Jahr Ao 1718».

Bildnis Hans Ludwig Peyer-Seiler (1645 – 1741)
Abb. 2: Porträt von Johannes Ludwig Peyer – «Monsieur Jean Louis Peyer, Conseiller d‘Etat dans le Canton de Schafhause, Ætatis 82 Anno 1727», 1727, von Dietegen Seiler, Öl auf Leinwand, 112 x 86 cm

 

Neun Jahre später 1727 entstanden drei Ölporträts nach dem Vorbild der Radierung, wovon eines der Peyerschen Tobias Stimmer Stiftung gehört (Abb. 2). Sie wurden alle ebenso von Dietegen Seiler geschaffen. In allen vier Porträts, ist er identisch gekleidet. Er zeigt sich in Schwarz als Mann in wichtigem Amt. Im hier betrachteten Ölgemälde wie auch in den beiden anderen Ölgemälden (vgl. W.R.C. Abegglen 2022, Schaffhauser Porträts 1450–1870, S. 178) scheint er die letzten neun Jahre nicht gealtert zu sein. Die hochwertige Darstellung der Gesichtszüge und der Hände in der Version von 1718 hat sich im Vergleich zu jenen von 1727 kaum verändert. Unterschiedlich ist einzig die Haarlänge, die 1727 etwas kürzer ist. Es ist davon auszugehen, dass er 1718 und 1727 sowohl diese Kleidung als auch diesen Schmuck trug. Der 82-jährige trug sein schwarzes Gewand 1727 zur Repräsentation seines Amtes als Staatsrat, welches im dargestellten Schriftstück «Jean Louis Pejer Conseiller d’Etat dans le Canton de Schafhause» (Abb. 2) festgehalten ist.

Wohl aus ästhetischen Gründen und ganz pragmatisch, weil der Porträtierte so nicht mehr stundenlang Modell sitzen musste, hielt sich Dietegen Seiler 1727 an die frühere Vorlage von 1718. Neu ist neben den Schriftstücken in Französisch, der Sprache der Elite, die Taschenuhr.

Traditionelle Amtstracht

Was trägt Johannes Ludwig Peyer, Mitglied der Schaffhauser Elite, als 73- und 82-jähriger konkret, um seinen hohen sozialen Status und seine wichtigen Ämter zu repräsentierend? Er trägt einen schwarzen Talar, den auch Richter, Pfarrer und Bürgermeister trugen, sowie einen schwarzen Umhang und eine schwarze, enganliegende Kappe. Der Kragen aus gestärktem Leinen, die Ärmelrüschen und das Paar halblanger Handschuhe, wohl aus feinstem Leder, sind strahlend weiss und geben den Kontrast zum Schwarz. Sowohl ein tiefes Schwarz wie jenes von Peyers Bekleidung, als auch weisse Wäsche waren kostspielig und Teil der Mode der Oberschicht.

Weisse Handschuhe waren im damaligen Verständnis Symbol von Reinheit und gehörten zur Etikette der sozialen Oberschicht, sowohl beim Herrn als auch bei der Dame. Sie wurden wie in diesem Porträt als Paar getragen und symbolisierten beim Mann die durch sein Amt oder seine Ämter verliehene Autorität. Angezogen schützt der Handschuh vor «Unreinem», was den Blick auf die anmutigen Hände lenkt: Diese Hände waren nicht nur aufgrund des Tragens von Handschuhen gepflegt, sondern weil sie entsprechend des Lebensstils eines Mannes hohen Standes keine schweren Arbeiten leisten mussten wie beispielsweise die der Bauern auf dem Land.

Ehrenkette und Fingerringe

Die goldene, dreireihige Ehrenkette wird von Johannes Ludwig Peyer schräg über die linke Schulter getragen. Die einzelnen Kettenglieder sind modisch abwechselnd längs und quer gerillt. Mit der rechten Hand verdeckt er die Stelle, an welcher in der Regel ein Medaillon angebracht war.

Detail Ludwig Seiler: linke Hand
Detail Ludwig Seiler: linke Hand
Abb. 3: Bildausschnitt: Ärmelrüsche, Fingerring und dreireihige Ehrenkette

Digital imaging and the scientific investigation

In order to match todays high standards of conservation, scientific analysis was carried out using digital imaging in the preparation for work. The different imaging technologies revealed the structure and state of preservation of the work. Removal of samples from the earlier retouching provided information about the substances used. These preliminary investigations served as the basis for the procedure and the careful selection of the methods and materials to be used. After expert discussion, the decision to proceed with conservation work on the painting was made together with the Peyer'schen Tobias Stimmer Foundation as the owner of the painting. The foundation funded the project.

Detail Ludwig Seiler: rechte Hand
Abb. 4: Bildausschnitt: Ein Paar weisse Handschuhe, ein Fingerring und ein Degen

Almost 500 years ago, the Wittenberg artist Lucas Cranach the Elder (1472-1553) painted the Madonna of the Grapes. It is natural for a painting of such considerable age to undergo age-related changes over the centuries. This created a craquelure – a network of fine cracks that widened into crater-like furrows as a result of repeated harsh interventions. Almost 100 years ago, these were covered with coarse, heavily darkened retouching, giving the Madonna of the Grapes an unsightly, spotty appearance.

For four months, the conservator Barbara Bührer removed the old retouching and heavily yellowed varnish - the protective layer over the painting surface. She then retouched the exposed damage. In this way, the Madonna of the Grape received the appreciation she deserved and her beauty can now be seen in its original splendour.

Detail Ludwig Seiler: Uhr
Photography under oblique light


Oblique lighting makes plastic structures on the surface of the painting visible, such as the relief of the paint application (impasto) as well as later changes or damage. The oblique light photo shows the skill of the artist in modelling highlights in the Madonna's hair using thin, plastic lines. In addition to the ridges of craquelure edges, the brushstrokes of the old retouchings and breaks in the paint layer can be seen.

 

Dieser Beitrag entstand ergänzend zum Vortrag «Prachtvolle Mode der Frühen Neuzeit. Die Sammlung der Peyerschen Tobias Stimmer Stiftung im Kontext aktueller Forschung», den die Autorin an der Veranstaltung «Überraschende Perspektiven auf die Kunst» hielt. Der Jubiläums-Anlass vom 14. April 2024 wurde durch den Kunstverein Schaffhausen im Rahmen seiner Ausstellung «175 Jahre Kunstverein Schaffhausen – Kunst vereint» im Museum Allerheiligen Schaffhausen durchgeführt.