Die Restaurierung der Traubenmadonna von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553)

Mit neuer Anmut

Ein Beitrag von Andreas Rüfenacht und Barbara Bührer
Die Traubenmadonna vor und nach der Restaurierung
Die Traubenmadonna vor und nach der Restaurierung

Vor knapp 500 Jahren malte der Wittenberger Künstler Lucas Cranach der Ältere (1472–1553) die Traubenmadonna. Für ein Gemälde von solch eindrücklichem Alter ist es ganz natürlich, dass es über die Jahrhunderte altersbedingte Veränderungen erfährt. So entstand ein Craquelé – ein Netz feiner Sprünge, die sich durch wiederholte scharfe Reinigungen zu kraterartigen Furchen ausweiteten. Diese wurden vor bald 100 Jahren mit groben, stark nachgedunkelten Retuschen überdeckt, sodass die Traubenmadonna eine unschöne fleckige Struktur erhielt.

Während vier Monaten entfernte die Restauratorin Barbara Bührer die alten Retuschen und den stark vergilbten Firnis – die Schutzschicht über der Malfläche. Danach retuschierte sie die freigelegten Schäden neu. So erhielt die Traubenmadonna die ihr gebührende Wertschätzung zurück und ihre Anmut kann nun wieder ungestört erfahren werden.

Ein Film von Linus Maurmann

Wissenschaftliche Erkenntnisse mittels eines digitalen Imagings

Um den anspruchsvollen Standards heutiger Restaurierungsprojekte Rechnung zu tragen, wurden mittels eines so genannten digitalen Imagings im Vorfeld der Restaurierung wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen. Die unterschiedlichen bildgebenden Technologien stellen den Aufbau und Erhaltungszustand der Bildmaterialien dar. Die Entnahme von Proben der Retuschen gaben Auskunft über die verwendeten Substanzen.

Diese Voruntersuchungen dienten als Basis für die Vorgehensweise und die sorgfältige Auswahl der zu verwendenden Methoden und Materialien. Nach einem Expertengespräch wurde zusammen mit der Peyerschen Tobias Stimmer-Stiftung als Eigentümerin des Gemäldes der Entscheid für die Restaurierung gefällt. Die Stiftung finanzierte das Projekt.

Traubenmadonna Normalichtaufnahme
Normallichtaufnahme

Als unverzichtbare Dokumentation vor Restaurierungseingriffen zeigt die hochauflösende Fotografie das Erscheinungsbild des Gemäldes vor der Restaurierung im sichtbaren Licht. Besonders auf den Hautpartien, dem sogenannten Inkarnat, sind die unzähligen dunklen Flecken der alten, grob aufgetragenen Retuschen augenfällig. Kleine Schadstellen in der Malschicht lassen bis auf die helle Grundierung der Tafel blicken – so zum Beispiel an der Wange.

Traubenmadonna Steiflichtaufnahme
Streiflichtaufnahme

Flach einfallende Lichtstrahlen machen plastische Strukturen der Gemäldeoberfläche sichtbar, so das Relief des Farbauftrags (Pastositäten) ebenso wie spätere Veränderungen oder Schäden. Die Streiflichtaufnahme zeigt eindrücklich, wie der Künstler die Lichtreflexe der Haare von Maria mit dünnen, plastischen Linien geradezu modelliert hat. Neben den Graten von Craquelékanten sind die Pinselstriche der alten Retuschen sowie Ausbrüche in der Farbschicht zu erkennen.

Traubenmadonna Aufnahme der Gemälderückseite
Aufnahme der Gemälderückseite

Die ursprüngliche Gemälderückseite ist nicht mehr zu erkennen. Die horizontal gemaserte Buchenholztafel wurde abgehobelt, um eine Stützkonstruktion, eine sog. Parkettierung, anzubringen. Sie sollte die Tafel vor natürlichen Bewegungen des Holzes schützen. Heute weiss man über diese früher gängige Restaurierungspraxis, dass sie meist unnötig und sogar schädigend ist. Aufkleber, wie oft auch Inschriften, Nummern, Siegel oder Stempel geben wichtige Hinweise auf die Herkunftsgeschichte eines Kunstwerks.

Traubenmadonna Röntgenaufnahme
Röntgenaufnahme

Röntgenstrahlen durchdringen die Schichten eines Gemäldes. Die Strahlendiagnostik wird in der kunsttechnologischen Forschung verwendet, um den Entstehungsprozess, tief im Gefüge verborgene Materialien sowie ihre Verarbeitung und Zustände sichtbar zu machen. Früher verwendeten die Maler für Weisstöne das giftige Bleiweiss. Der Bleianteil absorbiert die Röntgenstrahlen in hohem Mass. Deshalb zei­gen sehr helle Partien der Aufnahme, wo der Künstler dieses Weiss verwendet hat.

Traubenmadonna Falschfarben-Infrarotreflektografie
Infrarotreflektografie

Infrarot-Strahlung dringt tiefer in die Bildschichten ein als sichtbares Licht. In günstigen Fällen lassen sich so Motivänderungen oder Unterzeichnungen auf hellerem Malgrund erkennen. Bei der Traubenmadonna sind keine Unterzeichnungen zu sehen. Möglicherweise decken sich solche mit dunklen Konturen der darüber liegenden Malerei – vielleicht ein Hinweis auf die routinierte Werkstattpraxis Cranachs.

Traubenmadonna Falschfarben-Infrarotreflektografie
Falschfarben-Infrarotreflektografie

Der Infrarotaufnahme werden in einer digitalen Nachbearbeitung „falsche“ Farben zugeordnet. So können verschiedene Materialien wie Farbpigmente deutlicher erkannt werden. Zwei oft verwendete Blaupigmente, Lapislazuli und Azurit, lassen sich mit der Falschfarbentechnik gut unterscheiden: Im Madonnenmantel haben die Blautöne die gleichen „falschen“ Farben angenommen. Es handelt sich damit um dieselben Pigmente. Die Absorption der Infrarotstrahlen weist auf Azurit hin.

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Aufnahme in ultraviolettem Licht

UV-Strahlen regen manche Stoffe der Bildoberfläche zu Leuchterscheinungen an. Je nach Beschaffenheit und Alterung von Firnissen und Malmitteln unterscheiden sich diese Fluoreszenzen in Helligkeit und Farbtönungen von gelblich Grün bis Dunkelviolett. So zeichnen sich Retuschen dunkel ab, wenn sie auf einer hell fluoreszierenden Firnisschicht liegen.

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Aufnahme nach der Reinigung

Die Aufnahme nach der Reinigung erlaubt den Blick auf den eigentlichen Erhaltungszustand des Bildes. Sie dient als Beleg: Verglichen mit Vor- und Endzustand zeigt sie einerseits, was bei der Reinigung entfernt wurde, andererseits das Ausmass der hinzugefügten Retuschen.

Die vielen kleinen Schadstellen reichen bis in die helle Grundierung. So verheerend sie gesamthaft wirken, sind doch die feinen Schichten der Malerei erhalten geblieben, selbst feinste Wimpern und Haare sind unversehrt.